Was ist zu tun, wenn es am 1. Januar 2021 zu einem Hard Brexit kommt? Nach wie vor herrscht Ungewissheit über den Ausgang der aktuellen Brexit-Gespräche zwischen Premierminister Johnson und der EU. Dennoch ist es an der Zeit zu informieren, welche Einstellungen in der Zollsoftware von prodata getätigt werden müssen, sollte es soweit kommen.
Der aktuelle Stand der Verhandlungen
Nachdem die Austrittsverhandlungen inmitten der Corona-Krise kurzzeitig in den Hintergrund gerückt sind, ist jetzt Eile angesagt. Bis Mitte November soll feststehen, ob es zu einem Deal oder zu einem harten Ausstieg kommt, da der Gesetzestext auch noch bis Jahresende ratifiziert werden muss.
Die aktuelle Lage zwingt Johnson einen Deal zu forcieren. Einerseits muss er den wirtschaftlichen Schaden des Brexits mitten in der Corona-Rezession minimieren. Andererseits will er vermeiden, dass die schottischen Nationalisten bei den Regionalwahlen im Frühjahr eine absolute Mehrheit holen und somit die Möglichkeit erhalten, ein Unabhängigkeitsreferendum anzusetzen. Sollte zudem Biden als Sieger der US-Präsidentschaftswahl hervorgehen, ist die Hoffnung auf ein schnelles Handelsabkommen mit den USA vorerst auf Eis gelegt. Auf Grund seiner irischen Wurzeln kritisiert der Präsidentschaftskandidat einen Hard Brexit nämlich aufs Schärfste.
Entwarnung gibt es deswegen allerdings noch lange nicht. Laut einer Sprecherin aus der Downing Street ist es möglich, dass es nicht rechtzeitig zu einer Einigung kommt. Es ist ratsam sich jetzt auf einen möglichen Ausstieg Großbritanniens aus der EU ohne Handelsabkommen vorzubereiten. Welche Fragen Sie sich als Handelstreibender stellen sollten, fassen wir für Sie kurz zusammen.
Allgemeine Überlegungen für den Außenhandel
Die unten angeführten Punkte sind nur bei Nichtzustandekommen eines Abkommens per 01.01.2021 relevant.
Zollanmeldungen
- Das Vereinigte Königreich wird als zwei getrennte Zollgebiete betrachtet, Nordirland (Zolllandcode „XI“) und Großbritannien (England, Schottland, Wales; Zolllandcode
„XU“„GB“). - Der Zollandcode „XU“ soll nach derzeitigem Stand nicht verwendet werden.
- Im Transitverfahren bleibt der gemeinsame Ländercode „GB“.
- Lieferungen nach und aus Großbritannien müssen künftig beim Zoll deklariert werden.
- Lieferungen nach und aus Nordirland sind innergemeinschaftliche Lieferungen und benötigen keine Zollanmeldung!
- Beim Import von Waren aus Großbritannien ist es ratsam, Zollabgaben vorab zu berechnen um zusätzliche Kosten mit einzukalkulieren. Mangels Abkommen werden Drittlandzollsätze angewendet.
- Beim Senden einer Zollanmeldung ist darauf zu achten, dass im Feld „Ursprungsland“ für Waren britischen Ursprungs nicht mehr der Code „EU“, sondern
„XU“„GB“ verwendet werden muss. - Hervorzuheben ist der Umstand, dass Unionswaren, die sich in Großbritannien zur Be- oder Verarbeitung befinden, ab dem 1.1.2021 zu Nichtunionswaren werden, wenn sie in be- oder verarbeitetem Zustand in das Gebiet der EU-27 eingeführt werden. Somit fällt der Drittlandszoll an. Bestandteil der Bemessungsgrundlage ist der Wert der Vormaterialien.
Klassifikationen des Produkt- und Materialstammes
- Ebenso ist Großbritannien nicht mehr an die Klassifikationen des Produkt- und Materialstammes an die für die EU einheitliche Kombinierte Nomenklatur gebunden. Tatsächlich hat das Vereinigte Königreich bereits einen eigenen Zolltarif veröffentlicht, der mit 01.01.2020 für Importe nach Großbritannien gelten wird. Für Unternehmen mit einer Niederlassung in Großbritannien bedeutet das, dass sie in ihren SAP-Stammdaten die neuen Tarifnummern für Großbritannien zusätzlich erfassen müssen.
- Beachten Sie auch die Klassifikation z.B. nach Dual-Use für Großbritannien (sowohl Versendungsland als auch Bestimmungsland). Hierzu wurde von der WKO ein ausführlicher Newsletter versendet.
Intrastat
- Ab 01.01.2021 sind keine Intrastat-Meldungen mehr für Großbritannien erforderlich, die Waren werden durch die dann nötigen Zollanmeldungen statistisch erfasst.
- Für den Warenverkehr mit Nordirland sind weiterhin Intrastat-Meldungen erforderlich.
Lieferantenerklärungen und Präferenzmanagement
- Lieferantenerklärungen aus Großbritannien dürfen nicht mehr als Lieferantenerklärung aus einem EU-Land gepflegt werden, sondern müssen separat ausgewiesen werden. Richtwert ist hierfür das Lieferdatum. Wurde die Ware vor Ablauf des Übergangszeitraums geliefert, behält sie den EU Ursprung; wird die Ware nach dem 1. Jänner 2021, 00:00 Uhr MEZ/CET, geliefert, ist es eine Nicht-Unionsware.
- Tipp: Beachten Sie dies bereits jetzt beim Anfordern Ihrer neuen Langzeitlieferantenerklärungen für 2021. Erfassen Sie diese getrennt! Dazu ändern Sie einfach den Ländercode von „EU“ auf „GB“ im dafür vorgesehenem Feld
- Betreiben Sie als Importeur britischer Waren im Unternehmen Präferenzkalkulation, ist künftig Vorsicht geboten. Kumulierungen mit Großbritannien sind dann nicht mehr möglich! Mit dem Austritt aus der EU kann es zu Preisänderungen kommen, da Sie unter Umständen keinen EU-Ursprung Ihrer Produkte mehr erreichen können.
Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Welche Einstellungen im SAP Umfeld zu tätigen sind, entnehmen Sie bitte der Anleitung für Ihr jeweiliges Produkt.
Anleitungen zum Download
Anleitung für die Zollsoftware pZoll (pdf)
Anleitung für den e-zoll Connector für GTS (pdf)
Weitere Informationen
Noch mehr Informationen gibt es hier:
Thema Zoll und Brexit auf Website der WKO